St. Josef Solingen–Krahenhöhe - ein von der Norm abweichendes Bauvorhaben!

Im Februar 2011 erhielten wir von dem Organisten der kath. Pfarrkirche St. Josef Solingen - Krahenhöhe, Gereon Bürling, eine Mail, aus der ich freundlicherweise an dieser Stelle zitieren darf:

"Als Organist der Gemeinde bin ich an einer schlichten Orgel interessiert, die aber die technischen Möglichkeiten ausschöpft - wenig als viel - erklingen zu lassen... Vielleicht können Sie uns weiterhelfen. Ich denke, dass derjenige Orgelbauer, der meine Vorstellungen sinnvoll umsetzen kann, dadurch auch bei der Ausschreibung die besten Karten hat. Denn es handelt sich ein von der Norm abweichendes Bauvorhaben, dem manch ein traditioneller Orgelbauer nicht folgen kann."

Da auch wir inzwischen auf eine kurze traditionelle Vergangenheit zurückblicken können - 2015 besteht die Orgelbauwerkstatt Siegfried Merten immerhin 20 Jahre - erstellen wir unsere Projekte nicht nach Schema F, sondern entwickeln und erarbeiten individuell den Gegebenheiten entsprechend optimale Lösungen.

Bei der Konzepterstellung für St. Josef dienten folgende Überlegungen als Grundlage:

  • Wiederverwendung sehr gut erhaltener Orgelteile (3 Windladen für 2 Manuale und Pedal, ca. 50% des Pfeifenwerks)
  • Komplettiert mit neuen Teilen (Gehäuse, Spieltisch, Spiel- und Registertrakturen, Windanlage, Pfeifenwerk)

Somit entstand folgende Disposition:

III. Manual / Pedal I. Manual Hauptwerk II. Manual Schwellwerk
Prinzipalbaß 16' Prinzipal 8' Salicional 8'
Subbaß 16' Flauto major 8' Rohrflöte 8'
Octavbaß 8' Gedackt 8' Voc coel. 8'
Gedacktbaß 8' Oktave 4' Prinzipal 4'
Hohlflöte 4' Rohrflöte 4' Koppelflöte 4'
Hintersatz 4f. Nasard 2 2/3' Waldflöte 2'
Posaune 16' Prinzipal 2' Quinte 2 2/3'
Trompete 8` Mixtur 4 f. Terz 1 3/5 ‚
  Fagott 16' Scharf 4'
  Trompete 8 Hautbois 8'
    Tremulant
  Zimbelstern  

Das Ergebnis unserer Arbeiten wurde in dem Abnahmegutachten des Orgelsachverständigen, Herrn Eckhard Isenberg, aus dem ich ebenfalls freundlicherweise zitieren darf, wie folgt bewertet:

"Die persönliche Situation von Herrn Gereon Bürling, dem Kirchenmusiker vor Ort, wurde berücksichtigt durch den Bau eines dritten Manuals, auf dem man die Stimmen des Pedals manualiter spielen kann. Außerdem erhielt der Spieltisch einen schwenkbaren Touchterminal auf der rechten Seite mit vielfältigsten Anwendungsmöglichkeiten (Schwellerbetätigung per Finger auf dem Display, individuelle Einstellungen von Sub- und Superkoppeln, Aufnahmefunktion, Speichern von Titeln, Transpositeur, Registerfessel und vieles mehr). Auf der linken Spieltischseite ist das "normale" Registertableau angebracht, welches sehr übersichtlich angeordnet ist. Die Setzeranlage verfügt über insgesamt 12.000 Speichermöglichkeiten. Der Sequenzer (vor und zurück) lässt sich sowohl per Fußpistons als auch mit Drucktastern an verschiedenen Stellen des Spieltisches bedienen.

Die 28 klingenden Register bieten von leisen und lyrischen Stimmen bis zum majestätischen Tutti die gesamte Bandbreite klanglicher Möglichkeiten. Die Orgel ist insgesamt recht stark auf eine gut singende Gemeinde hin intoniert. Das Schwellwerk und seine beiden Schwelljalousien bieten ideale Begleitmöglichkeiten für den Chor. Die Schwellwirkung ist sowohl auf der Empore als auch im Kirchenraum enorm. Der Tremulant des Schwellwerkes sollte etwas weniger stark eingestellt werden.

Der Prospekt nimmt die Formensprache der Kirchenarchitektur auf und fügt sich harmonisch ins Gesamtbild ein.

Insgesamt muss man Herrn Merten und seinem Team ein hohes Lob aussprechen. Die musikalische Verschmelzung von altem Pfeifenbestand mit neuen Registern ist gut gelungen. Die Disposition bietet unzählige Möglichkeiten, einen großen Teil der Orgelliteratur adäquat darzustellen. Die Intonation hat die akustischen Verhältnisse des Kirchenraums ebenso berücksichtigt wie die musikalischen Bedürfnisse vor Ort, z.B. häufiges Musizieren mit dem Chor.

Die qualitativ guten Windladen mitsamt der neuen Technik sowie der Spieltisch bieten hohen Spielkomfort. Man wird wahrscheinlich nicht alle Möglichkeiten nutzen, welche der neue Touch-Screen der Firma Laukhuff bietet. Dennoch ist er ein wichtiges Merkmal der Orgel und vor allem im Hinblick auf die persönliche Situation von Herrn Bürling unverzichtbar.

Die Gemeinde hat eine gut disponierte Orgel erhalten, welche sowohl klanglich als auch technisch den Vergleich mit einem Neubau bestehen kann. Ein komplett neues Instrument dieser Größenordnung kostet heute - je nach Wahl des Orgelbauers - zwischen 450.000 € und 550.000 €.

Fazit: Die Orgel in St. Josef ist ein von der Konzeption her bemerkenswertes Instrument, welches weit über die Grenzen der Pfarrerei hinaus Aufmerksamkeit finden wird. Sowohl handwerklich als auch künstlerisch haben die Mitarbeiter der Firma Merten hervorragend gearbeitet. Ich empfehle der Gemeinde die Abnahme der durchgeführten Orgelarbeiten.

Köln, am 06. März 2013"

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